Korintherbrief, Dritter
(erstellt: Januar 2019)
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1. Einleitungsfragen
Unter dem Dritten Korintherbrief (3Kor) wird in der Forschung zumeist der pseudepigraphische Briefwechsel des → Paulus
Wie man die Fragen nach Entstehungszeit, Entstehungsort und Verfasserschaft beantwortet, hängt wesentlich an der Frage, ob man den Dritten Korintherbrief für einen genuinen Bestandteil der Paulusakten oder für ein ursprünglich selbständiges Traditionsstück hält. Die Paulusakten sind aller Wahrscheinlichkeit nach in der späten zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in Kleinasien entstanden (Rordorf: um 150 n. Chr.). Tertullian benennt um 200 n. Chr. einen namenlosen kleinasiatischen Presbyter, der „aus Liebe zu Paulus“ gehandelt und die Paulusakten zusammengestellt (construxit) sowie nach seiner Entlarvung sein Amt verloren habe, als Urheber (De baptismo 17). Während Tertullian die Paulusakten ablehnt, weil sie zur Stützung weiblicher Lehr- und Tauferlaubnis herangezogen werden können, werden sie in Hippolyts Danielkommentar (III 29; ca. 204 n. Chr.) und von Origenes (De principiis I 2,3 und Johanneskommentar XX 12) bedenkenlos benutzt bzw. zitiert. Noch bei Euseb (Historia ecclesiastica III 3,5) haben die Paulusakten zwar keine kanonische Gültigkeit, sind aber auch noch nicht (gänzlich) verworfen. Hält man nun 3Kor für einen genuinen Bestandteil der Paulusakten, ergibt sich für Entstehungszeit, Entstehungsort und Verfasserschaft das Nämliche wie für die Paulusakten selbst. Hält man 3Kor dagegen für ein ursprünglich selbständiges Traditionsstück, lässt sich über Ort und Verfasserschaft nichts Verlässliches sagen. Aus der Annahme, dass es sich um ein selbständiges Traditionsstück handle, ergibt sich auch nicht automatisch eine frühere Entstehungszeit, da wir nicht wissen, wann dann 3Kor Bestandteil der Paulusakten geworden ist. Allerdings spiegelt der apokryphe Briefwechsel zwischen den Korinthern und Paulus die theologische Debattenlage des 2. Jahrhunderts und gehört insofern sicher in eine ähnliche Entstehungszeit wie die Paulusakten insgesamt. Der Briefwechsel hat die normale Länge antiker Briefkorrespondenz (ohne Einleitung und Zwischentext ca. 700 Wörter im griechischen Text des Papyrus Bodmer X), der Antwortbrief des Paulus ist ungefähr dreimal so lang wie das Schreiben der Korinther. Damit hat der gesamte Briefwechsel etwa die doppelte Länge des neutestamentlichen → Philemonbriefes
2. Überlieferungsverhältnisse
Der Dritte Korintherbrief ist sowohl selbständig als auch als Teil der Paulusakten überliefert, so wie die Paulusakten teils mit, teils ohne Dritten Korintherbrief überliefert sind. Die Überlieferungsverhältnisse sehen folgendermaßen aus (die Textzeugen der Paulusakten sind nur insoweit aufgeführt, als sie für die Überlieferung von 3Kor relevant sind, kleinere Fragmente sowie Zeugen für andere selbständig überlieferte Teile der Paulusakten wie die → Theklaakten
3. Inhalt
Anders als z.B. der pseudepigraphische Paulusbrief an die Laodizener (→ Laodizenerbrief
3.1. Einleitung und Brief der Korinther
Während Paulus im makedonischen Philippi weilt, schreiben ihm die Korinther, des näheren Stephanas sowie die Presbyter Daphnos, Euboulos, Theophilos und Xenon, mit der Bitte um Unterstützung, möglichst durch persönliche Anwesenheit. Nach Korinth sind zwei Männer namens Simon und Kleobios gekommen, die die Gemeinde mit folgenden Irrlehren in Unruhe versetzen. Der Brief der Korinther an Paulus nennt:
- Man dürfe sich (als Christ) nicht auf die (alttestamentlichen) Propheten berufen.
- Gott sei nicht allmächtig.
- Es gebe keine Auferstehung des Fleisches.
- Der Mensch sei nicht Gottes Geschöpf.
- Jesus habe keine leibliche Existenz gehabt.
- Jesus sei nicht von Maria geboren worden.
- Die Welt sei nicht Schöpfung Gottes, sondern der Engel.
Die Einleitung nennt bereits mehrere dieser Irrlehren und ergänzt bzw. präzisiert:
- Jesus wurde nicht gekreuzigt, sondern habe nur als Schein(-leib) existiert.
- Jesus sei nicht nur nicht aus Maria, sondern auch nicht aus dem Samen Davids geboren.
3.2. Überleitung und Antwortbrief des Paulus
Der Überleitungstext berichtet von der Überbringung des Briefes nach Philippi durch die Diakone Threptos und Eutychos sowie die Übergabe des Briefes an den im Gefängnis sitzenden Paulus. Auch der Antwortbrief des Paulus gibt sich als Gefangenschaftsbrief, das Briefpräskript lehnt sich eng an Phlm 1
Paulus arbeitet in seinem Antwortschreiben die aufgeworfenen Probleme in abweichender Reihenfolge ab, allerdings teilweise durch bloße Behauptung der rechtgläubigen Auffassung anstelle einer theologisch argumentierenden Widerlegung:
- Jesus Christus ist von Maria aus dem Samen Davids durch den heiligen Geist geboren
- zur Auferweckung des Fleisches durch sein Fleisch, indem er selbst auferweckt wurde.
- Gott ist allmächtig und hat Himmel und Erde gemacht.
- Gott sandte die Propheten, in denen ein Teil vom Geist Christi war, zur Rettung Israels.
Die in Korinth agierenden Irrlehrer werden bezichtigt, sie haben „den verfluchten Glauben der Schlange“ (ὄφεως πίστιν / opheōs pistin), möglicherweise bereits eine Anspielung auf Naassener (von hebr. naḥaš Schlange; vgl. Hippolyt, Refutatio 5,6-11) bzw. Ophiten (von griech. ophis Schlange; vgl. Clemens Alexandrinus, Stromateis VII 17 [108,2]); vgl. auch die Rolle der Schlange im sethianischen Schöpfungsmythos (→ Schöpfung
4. Stellung innerhalb der Paulusakten und theologische Eigenart
Innerhalb des koptischen Textes der Paulusakten im Heidelberger Papyrus ist der Dritte Korintherbrief eingebettet in den Philippiaufenthalt des Paulus, der, aus Ephesos kommend, anschließend nach Korinth weiterzieht. Der griechische Text des Papyrus Hamb. bil. 1, der 3Kor nicht bietet, erwähnt lediglich einen Philippiaufenthalt, jedoch ohne dass dort etwas geschieht. Auffällige sprachliche oder stilistische Besonderheiten des Dritten Korintherbriefes gegenüber dem sonstigen Text der Paulusakten lassen sich nicht ausmachen. Allerdings gibt es einige inhaltliche Besonderheiten. Einleitung und Text von 3Kor nennen die Gemeindeämter → Presbyter
Die im Dritten Korintherbrief aufgeworfenen theologischen Streitpunkte sind großenteil typisch für die Auseinandersetzung der werdenden Großkirche mit gnostischen Strömungen (→ Gnosis
Literaturverzeichnis
1. Textausgaben und Übersetzungen
- Rordorf, W.: Actes de Paul, in: Bovon, F. / Geoltrain, P. (Hgg.), Écrits apocryphes chrétiens. I, Paris 1997, 1115-1177
- Schmidt, C.: Acta Pauli aus der Heidelberger koptischen Papyrushandschrift Nr 1. Übersetzung, Untersuchungen und koptischer Text, Leipzig 1904
- Schmidt, C. / Schubart, W.: ΠΡΑΞΕΙΣ ΠΑΥΛΟΥ. Acta Pauli. Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek (Veröffentlichungen aus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek 2), Glückstadt / Hamburg 1936
- Schneemelcher, W.: Paulusakten, Ders. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. II. Band: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997, 193-243
- Testuz, M.: Papyrus Bodmer X-XII. X: Correspondance apocryphe des Corinthiens et de l’apôtre Paul. XI: Onzième Ode de Salomon. XII: Fragment d’un Hymne liturgique. Manuscrit du IIIe siècle, Cologny-Genève 1959
- Vetter, P.: Der apokryphe dritte Korintherbrief neu übersetzt und nach seiner Entstehung untersucht, ThQ 72, 1890, 610-639
- Die griechischen Textzeugen auch im Thesaurus Linguae Graecae: Acta Pauli
2. Weitere Literatur
- Klijn, A.F.J.: The Apocryphal Correspondence between Paul and the Corinthians, VigChr 17, 1963, 2-23
- Plisch, U.-K.: Art. Paulus III (in den ntl. Apokryphen), RAC 26, 2015, 1215-1229
- Plümacher, E.: Art. Apokryphe Apostelakten, PRE.S XV, 1978, 11-70
- Rordorf, W.: Hérésie et orthodoxie selon la Correspondance apocryphe entre les Corinthiens et l’apôtre Paul, in: W. Rordorf (Hg.), Lex orandi, lex credendi. Gesammelte Aufsätze zum 60. Geburtstag (Par. 36), Freiburg (Schweiz) 1993, 389-431
- Zwierlein, O.: Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom Neuen Testament zu den apokryphen Apostelakten (UALG 109), Berlin 2013
Abbildungsverzeichnis
- Textzeugen 3Kor
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