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6. Die Offenbarung des Johannes (Johannesapokalypse, Apk)

Übersicht über die Offenbarung des Johannes

1,1-20 Bucheinleitung
2,1-3,22 Die sieben Sendschreiben
4,1-22,5 Die Visionen
22,6-21 Buchschluss

Der Titel dieser Schrift geht auf ihr erstes Wort zurück (ἀποκάλυψις/apokalypsis – Offenbarung). Damit ist sie namengebend für eine ganze literarische Gattung und ihre Trägerkreise geworden.

Der Verfasser

Der Autor nennt in einem an das paulinische Briefpräskript angelehnten brieflichen Anfang seinen Namen: Johannes (1,4; vgl. 1,1.9). Er bezeichnet sein Werk mehrfach als Prophetie (1,3; 19,10; 22,7 u. ö.), ist also nach eigenem Selbstverständnis ein christlicher Prophet (vgl. 10,11). Die Auditionen und Visionen, die er in seinem Werk niedergeschrieben hat, hat er auf der Insel Patmos empfangen. Dort befand er sich „um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus“ (1,9). Dieser Satz wird in der Regel als Hinweis auf eine Verbannung des Autors gedeutet.

Erst die frühkirchliche Tradition (Justin, Irenäus) identifiziert den Autor der Apk mit dem Zebedaïden und dann mit dem Verfasser des Joh. Die Unterschiede zwischen dem Corpus Johanneum und der Apk sind aber sowohl sprachlich als auch theologisch so groß, dass eine identische Autorenschaft nicht in Frage kommt. Allerdings werden in jüngerer Zeit mögliche Verbindungslinien wieder ernsthaft diskutiert.

Die Adressaten

Als Adressaten der Apk werden in 1,4 „die sieben Gemeinden in der Provinz Asien“ genannt, die dann in 1,11 aufgezählt werden: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea. Offenbar hat Johannes in diesen Gemeinden des ehemaligen paulinischen Missionsgebietes gewirkt. Er wendet sich in den sieben Sendschreiben direkt an jede einzelne von ihnen.

Die Gemeinden sind großen Bedrängnissen von innen und außen ausgesetzt. Die Sendschreiben nennen Irrlehrer, die in den Gemeinden wirken (2,2; 2,6.15; 2,14; 2,20ff.). Ihre genaue Einordnung fällt schwer, da Johannes z. T. mit alttestamentlichen Tarnnamen (Bileam, Isebel) arbeitet. Aus der Sicht des Propheten führt ihr Wirken dazu, dass die Identität der Gemeinden verloren geht (vgl. 2,14.20 – Verführung zum Essen von Götzenopferfleisch und Unzucht; vgl. die Regelungen in Apg 15,20).

Von Seiten der Gesellschaft leiden die Gemeinden vor allem unter der Bedrängnis durch die zunehmende Propagierung des Kaiserkultes (vgl. vor allem Kap. 13). Daneben scheint es örtlich zu Konflikten mit der Synagogalgemeinde gekommen zu sein (vgl. 2,9; 3,9). Die Teilnahme am Kaiserkult konnte als Zeichen der Loyalität der römischen Herrschaft gegenüber verstanden werden. In der Apk wird vorausgesetzt, dass die Weigerung von Christen, sich an diesem Kult zu beteiligen, zu lokalen Verfolgungen geführt hat (vgl. 2,10.13).

Der berühmte Briefwechsel zwischen Plinius d. J. und dem Kaiser Trajan (111/12) zeigt, dass im Umfeld eines als Loyalitätsbezeugung verstandenen Kaiserkultes schnell ein Klima der Denunziation entstehen konnte. Der Briefwechsel bezeugt zugleich, dass Christen schon seit 20 Jahren mit dem Kaiserkult in Konflikt geraten waren.

Abfassungszeit

Die Situation der angesprochenen Gemeinden ist zugleich der wichtigste Fingerzeig zur Datierung der Apk. Der Kaiser Domitian (81-96) ließ sich seit 85 „dominus et deus noster“ (unser Herr und Gott) nennen. Damit ging eine stärkere Propagierung des Kaiserkultes einher. Gegen Ende seiner Regierungszeit ging er überdies gewaltsam gegen Oppositionelle vor. Die Quellen wissen zwar nichts von einer allgemeinen Christenverfolgung unter diesem Kaiser, aber die Situation der Apk würde sich gut in das unter ihm entstandene Klima der Verunsicherung einfügen. Man datiert sie daher traditionell in den Zeitraum 90-95. Neuere Untersuchungen plädieren hingegen für eine spätere Datierung in die Regierungszeit der Kaiser Traian (98-117) oder sogar Hadrian (117-138). Beide waren in der Provinz Asia persönlich sehr präsent und die inschriftlichen und literarischen Quellen belegen einen damit einhergehenden Aufschwung des Kaiserkults (Traianeum in Pergamon, Olympieion in Ephesos), vor dessen Hintergrund Apk 13 gelesen werden kann. Die gematrische Verschlüsselung des Namens des Tieres in 13,18 trägt hingegen nichts zur Datierung bei, da wir den Code nicht kennen, den Johannes benutzt.

Literarischer Charakter

Johannes rahmt die Niederschrift seiner Offenbarung durch eine briefliche Einleitung und einen Buchschluss, der am Ende (22,21) ebenfalls briefliche Züge annimmt. Dabei hat sich der Autor vermutlich bewusst an den Stil der paulinischen Briefe angelehnt. Man wird die Apk formgeschichtlich deshalb als eine Apokalypse einordnen, die als Rundbrief stilisiert worden ist.

Die Apk besteht aus zwei Teilen (Kap. 2f.; 4,1-22,5), die mit einem Rahmen versehen sind. Beide Hauptteile sind mit Hilfe der Siebenzahl strukturiert.

In der Schilderung seiner Visionen nutzt Johannes ausführlich die biblische und außerbiblische apokalyptische Tradition. Dabei zitiert er relativ wenig. Vielmehr gestaltet er unter Zuhilfenahme traditioneller Elemente einen neuen Text. Die Schilderungen der Visionen des 2. Hauptteils werden dabei mehrfach durch hymnische Stücke unterbrochen, die jeweils an exponierter Stelle begegnen (vgl. 5,9-12.13 u. ö.). Vermutlich stammen diese Stücke aus dem Gottesdienst der Gemeinden. In der Apk haben sie gleichsam die Funktion des Chores in der antiken Tragödie. Das Geschehen wird kommentiert bzw. den Schrecken der Bedrängnis wird die Herrlichkeit Gottes gegenübergestellt. Damit sind diese Stücke wesentliche Träger der Botschaft der Apk, die ihre Adressaten angesichts der aktuellen Bedrängnisse an den Sieg erinnern will, den Christus bereits errungen hat (5,5).

Bucheinleitung

1,1-3 Vorwort
1,4-8 Briefliche Einleitung
1,9-20 Beauftragungsvision

Das Vorwort (1,1-3) führt die Offenbarung auf Gott zurück, der sie Jesus Christus gegeben hat. Dieser soll sie „seinen Knechten“ zeigen. Als Mittler zu den übrigen Knechten erscheint Johannes, der das Geschaute bezeugt. Inhalt der Offenbarung ist „das, was bald geschehen muss“. Am Ende werden Vorleser, Hörer und Bewahrer der Prophetie selig gepriesen.

In der brieflichen Einleitung (1,4-8) ist der Gruß stark erweitert. Daran schließen sich eine Doxologie und eine Gerichtsankündigung an. Die Gottesrede in 1,8 bekräftigt diese Ankündigung.

Die Schilderung der Beauftragungsvision (1,9-20) bildet den Hauptteil des Eröffnungsrahmens. Johannes sieht am Herrentag den Auferstandenen (vgl. die Selbstvorstellung 1,17f.), der ihm den Befehl zum Aufschreiben dessen gibt, „was du gesehen hast, was ist und was danach geschehen wird“ (1,19).

Die sieben Sendschreiben

2,1-7 Ephesus
2,8-11 Smyrna
2,12-17 Pergamon
2,18-29 Thyatira
3,1-6 Sardes
3,7-13 Philadelphia
3,14-22 Laodizea

Die Sendschreiben haben einen streng parallelen Aufbau, den die folgende Übersicht verdeutlichen soll:

Schreibbefehl2,1a; 2,8a; 2,12a; 2,18a; 3,1a; 3,7a; 3,14a
Botenformel (Christus als eigentlicher Absender, unterschiedliche Prädikate)2,1b; 2,8b; 2,12b; 2,18b; 3,1b; 3,7b; 3,14b
Hauptteil (Einleitung: Ich kenne …) Schilderung der Gemeindesituation mit Lob und Tadel;
Aufruf zur Buße; Mahnung zum Bewahren; Heils- und Unheilsankündigungen
Ephesus: 2,2–6
Smyrna: 2,9f
Pergamon: 2,13–16
Thyatira: 2,19–25
Sardes: 3,1c–4
Philadelphia: 3,8–11
Laodizea: 3,15–20
Überwinderspruch („Wer siegt, der …“)2,7b; 2,11b; 2,17b; 2,26–28; 3,5; 3,12; 3,21
Weckruf („Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“)2,7a; 2,11a; 2,17a; 2,29; 3,6; 3,13; 3,22
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Die Visionen

4,1-5,14 Die Thronsaalvision
6,1-8,1 Die Sieben-Siegel-Vision
8,2-11,19 Die Sieben-Posaunen-Vision
12,1-14,20 Die Gegner Gottes und der Gemeinde und die Ankündigung des Endgerichts
15,1-16,21 Die Sieben-Schalen-Vision
17,1-19,10 Das Strafgericht über die Hure Babylon
19,11-20,15 Die Endereignisse
21,1-22,5 Der neue Himmel und die neue Erde

Mit 4,1 beginnt die Schilderung einer ekstatischen Himmelsreise. Auf den Ruf Christi hin wird Johannes vom Geist ergriffen und schaut die im folgenden geschilderten Dinge.

Der Seher beschreibt zunächst den Thronsaal Gottes. In seiner Hand schaut er ein Buch mit sieben Siegeln. Allein das Lamm ist würdig, die Siegel zu brechen. Dabei betont Johannes durch die breite Schilderung in 5,5-12 nachdrücklich, dass das Lamm allein aufgrund seines Todes dazu würdig ist (vgl. vor allem 5,9f.). Eine Doxologie aller Geschöpfe, die Gott und dem Lamm gilt, schließt die Thronsaalvision ab (4,1-5,14).

Das Lamm öffnet nacheinander die Siegel (6,1-8,1). Den ersten vier Siegeln entspringen die apokalyptischen Reiter (Krieg, Aufruhr, Teuerung, Tod). Das Erbrechen des fünften Siegels offenbart den ungeduldigen Ruf der Märtyrer nach dem Gericht Gottes. Das sechste Siegel bringt kosmische Katastrophen über die Erde, so dass die Menschen sich verbergen.

Kap. 7 unterbricht die Reihe der Siegel und wirkt als retardierendes Moment. Johannes schaut die Versiegelung der 144.000 Knechte Gottes. Sie werden Gott dienen und vom Lamm geweidet werden. 8,1 berichtet das Erbrechen des siebten Siegels. Danach tritt Schweigen ein.

8,2-5 eröffnen als eine Art Vorspiel die Sieben-Posaunen-Vision (8,2-11,19). Das Blasen der Posaunen bringt gewaltige Katastrophen über die Erde, die aber jeweils bewusst begrenzt sind. Nach der vierten Posaune ruft ein gewaltiger Adler ein dreifaches „Wehe!“ über den Erdbewohnern aus (8,13). Diese drei Unheilsrufe werden dann mit den letzten drei Posaunen identifiziert. Ziel der Plagen ist eigentlich die Umkehr der Menschen, aber sie halten weiter am Götzendienst fest (9,20f.).

Wieder unterbricht ein retardierendes Zwischenstück (10,1-11,14) nach der sechsten Posaune die Kette der Plagen. Johannes schaut einen Engel mit einem kleinen aufgeschlagenen Buch in der Hand. Nachdem er gehindert worden ist, die Stimme der Donner aufzuschreiben, isst er das Buch. Er soll den Tempel vermessen und die dort Anbetenden zählen. Dann treten zwei Zeugen mit großer Macht auf. Letztlich tötet sie aber das Tier aus dem Abgrund. Ihre Auferstehung und Himmelfahrt löst eine Katastrophe aus, die mit dem zweiten Wehe verbunden wird. Jetzt endlich bekehren sich die Überlebenden. Die siebte Posaune ruft angesichts dieses Sieges den hymnischen Lobpreis hervor. Die Königsherrschaft über die Welt gehören Gott und seinem Messias. Jetzt wird der Tempel im Himmel geöffnet (11,15-19).

Das folgende Stück (12,1-14,20) wird gelegentlich als Apokalypse in der Apokalypse bezeichnet. Es liefert gleichsam den hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis der Visionen. Eine mit kosmischen Attributen bekleidete Frau erscheint am Himmel. Der Seher schaut sie unter der Geburt. Ihr gegenüber erscheint ein Drache, der das Kind verschlingen will. Es wird zu Gott entrückt und die Frau flieht. Michael erringt mit seinen himmlischen Heerscharen den himmlischen Sieg über den Drachen (Satan), der auf die Erde gestürzt wird. Der Drache verfolgt auf Erden die Frau und ihre Nachkommen. Damit wird deutlich, dass Johannes die Frau als Symbol der Kirche versteht.

Dem Meer ersteigt ein Tier, das die Macht des Drachen von ihm erhält. Die Bewohner der Erde erweisen ihm göttliche Ehren (13,4). Es erhält (von Gott) den Freiraum, die Heiligen zu verfolgen und zu töten. Ein zweites Tier erscheint, das wie das Lamm aussieht, aber die Botschaft des Drachen redet. Es bewirkt Zeichen und Wunder. Die Bewohner der Erde werden gezwungen, ein Standbild des ersten Tieres anzubeten. Alle müssen das Siegel des Tieres tragen. Die in sich geschlossene Schilderung wird in 13,9f. durch ein kurzes Zwischenstück unterbrochen, das die Herrschaft des Tieres als Zeit der Bewährung für die Christen deutet (vgl. die entsprechenden Aussagen der Sendschreiben).

Dagegen schaut Johannes das Lamm und die 144.000 auf dem Zion. Sie sind die Geretteten. Drei Engel kündigen das Gericht an (Aufforderung zur Verehrung Gottes, Babylon ist gefallen, die Verehrer des Tieres müssen den Zornesbecher Gottes trinken). Das Gericht wird wie eine furchtbare Ernte beschrieben (Sichel, Kelter) (14,1-20).

Sieben Engel mit sieben Schalen treten auf, die die letzten Plagen enthalten (15,1-16,21). Nach einem Lobpreis Gottes „durch die Sieger über das Tier“ gießen die sieben Engel die sieben Schalen über der Erde aus. Durch ein Engelswort nach der dritten (Rache für das Blut der Heiligen und Propheten) und eine Zwischenvision nach der sechsten (Gericht wie Dieb in der Nacht, Harmagedon) Schale werden die Plagen kommentiert. Die siebte Schale leitet zum Gericht über Babylon über.

Einer der Engel zeigt Johannes die Hure Babylon, sitzend auf einem Tier an vielen Gewässern. Der Engel deutet die Vision auf die Stadt Rom und das Römische Reich. Kap. 18 sagt das Gericht über Babylon an. Gerichtsanklage (18,1-3), Gerichtsrede (18,4-8), Klage über die zerstörte Stadt (18,9-19), Ruf zur Freude an Himmel und Heilige (18,20) und Zeichenhandlung (18,21-24) folgen aufeinander. 19,1-10 berichten vom Jubel im Himmel über den Fall Babylons. Die Verse bereiten zugleich die Schilderung des himmlischen Jerusalem vor (Stichwort: „Hochzeit des Lammes“; beachte 19,9).

Dann beginnen die eigentlichen Endereignisse (19,11-20,15). Das Tier und sein Prophet werden samt ihren Heerscharen vom himmlischen Heer des „Königs der Könige“ (19,16) geschlagen und getötet. Der Drache wird für tausend Jahre gefesselt in den Abgrund geworfen. Während dieser Zeit herrschen Christus und die bis zum Tod getreuen Christen. Nach der Wiederfreilassung des Satans entfacht dieser die letzte Schlacht. Er wird geschlagen. Dann folgt das Gericht über die Toten nach ihren Werken.

Johannes schaut einen neuen Himmel und eine neue Erde (21,1-22,5). Das neue Jerusalem, in dem Gott herrscht, kommt vom Himmel herab. Es ist die Braut des Lammes und wird als leuchtendes Gegenbild Babylons beschrieben. „Aber nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Greuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.“ (21,27)

Der Buchschluss

Der Buchschluss (22,6-21) betont vor allem die Zuverlässigkeit und Nähe dessen, was in dem „Buch mit seinen prophetischen Worten“ (22,10) aufgezeichnet ist. Zugleich nutzt Johannes ihn zu einer letzten Mahnung an seine Adressaten. Jeder, der an der Integrität des Buches rüttelt, wird bedroht (22,18f.), denn er würde den Willen Gottes verfälschen (vgl. 22,6).

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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